Was ist passiert, wie sichere ich mich und meinen Hund ab – und wann brauche ich Rechtsbeistand?
Eine Verkettung von Ereignissen, die jeden Hundehalter treffen kann: Jetzt soll Hund Zeus eingeschläfert werden. Was ist passiert, wie sichere ich mich und meinen Hund ab – und wann brauche ich Rechtsbeistand?
Der Fall: Eine Frau rutscht auf dem Waldboden aus, sie stürzt und die Hundeleine entgleitet ihr teilweise. Der Hund springt an einem älteren Mann hoch, der daraufhin zu Boden stürzt und sich aufgrund des Sturzes erhebliche Verletzungen im Gesicht zuzieht. Der Fall wird der Behörde gemeldet, die daraufhin verlangt, den Hund einschläfern zu lassen – entweder freiwillig oder notfalls angeordnet. Was tun? Für die Hundehalter war klar: Sie lassen ihren Hund nicht einschläfern. Stattdessen stellen sie ihren Hund drei Sachverständigen vor, die bescheinigen, dass die Tötung des Hundes unverhältnismäßig ist und gegen das Tierschutzgesetz verstoßen würde. Trotz bestandenem Wesenstest hält die Behörde an der angeordneten Tötung des Hundes fest. Nun geht der Fall von Rechtsanwältinnen Gianna Chiappa und Viola Hauser durch die sozialen Medien. Uns hat der Fall berührt und gleichzeitig viele Fragen in uns geweckt, die wir im Gespräch einordnen wollen. Außerdem klären wir am Ende des Gesprächs, wann eine Hundehalterhaftpflichtversicherung Sinn macht und wann doch eine Rechtsschutzversicherung vonnöten ist.
Hallo Gianna, hallo Viola, toll, dass es so schnell mit einem Gespräch klappt. Wir haben von eurem Fall gehört – und wollten euch unbedingt sprechen.
Gianna: Wir möchten uns zuerst einmal für das Interesse an unserem Fall bedanken. Wir beide sind Rechtsanwältinnen und haben eine gemeinsame Kanzlei in der Nähe von Mainz. Eines unserer Spezialgebiete und unsere absolute Herzensangelegenheit ist das Recht rund ums Tier. Das bedeutet, wir bearbeiten alle Arten von Fällen, die mit Tieren zu tun haben.
Und ein besonders bemerkenswerter ist der Fall von Hund Zeus. Könnt ihr uns kurz schildern, was passiert ist?
Gianna: Den Fall von Zeus kurz zu schildern ist wirklich schwer, weil es sich um ein Verfahren handelt, das jetzt schon über zwei Jahre dauert. Vieles sind juristische Details. Kurz erzählt ist Folgendes passiert: Zeus hat bei einem Waldspaziergang einen älteren Herren angesprungen. Der ist gestürzt und hat sich dabei erhebliche Verletzungen im Gesicht zugezogen. Damals war der Waldboden teilweise vereist. Die Halterin von Zeus war ausgerutscht und selbst gestürzt. Als sie versuchte, sich abzufangen, ist ihr ein Teil der Schleppleine entglitten, an der sie Zeus geführt hatte. Unsere Mandantin hatte Zeus zurückgerufen, er folgte ihr sofort. Danach band sie ihre beiden Hunde an einem Baum fest, um dem Mann zu helfen.
Klingt nach einem Unfall. Wie ging es weiter?
Viola: Der Sohn des Geschädigten hat den Vorfall der Behörde gemeldet; Zeus war bislang nicht aktenkundig. Nachträglich informierte er die Behörden dann noch über zwei weitere Vorfälle, die sich in den Jahren 2014 und 2015 ereignet haben sollen. Diese Vorfälle wurden ungeprüft zur Akte genommen und der späteren Tötungsanordnung zugrunde gelegt.
Gianna: Innerhalb der Behörde, in dem Fall zwischen Sachbearbeitern und Amtstierarzt, wurde abgesprochen, dass die Tötung des Hundes bevorzugt werde und der Amtstierarzt ein dahingehendes Gutachten erstellen werde. Dabei wurde kein Wesenstest mit Zeus durchgeführt. Der Amtstierarzt hat Zeus in Augenschein genommen und dann unseren Mandanten mitgeteilt: entweder sie lassen Zeus freiwillig selbst einschläfern oder die Tötung würde zwangsweise durchgesetzt. Unsere Mandanten entschieden sich dafür, für Zeus zu kämpfen. Sie stellten ihn drei Sachverständigen vor, die bescheinigten, dass die Tötung von Zeus unverhältnismäßig sei und gegen das Tierschutzgesetz verstoßen würde. Trotzdem hielt die Behörde an der Tötung des Hundes fest.
Welche Rolle hat der Amtsarzt bei dem Ganzen?
Gianna: Es gab eine behördeninterne Hausmitteilung, in der der Amtstierarzt schrieb, er würde die Tötung als einziges Mittel sehen. Die Argumente hierfür waren und sind noch immer haarsträubend. Spätestens nach den einstimmigen Meinungen dreier öffentlich bestellter und anerkannter Sachverständiger im Hundewesen und dem Umstand, dass Zeus einen Wesenstest bestand, müssten dem Amtstierarzt erhebliche Zweifel an seinen Äußerungen über Zeus kommen. Er hatte den Hund unter anderem aufgrund seines Alters von 7 Jahren als nicht therapierbar bezeichnet. Das haben wir ohne Zweifel widerlegt. Ihn trifft daher aufgrund des Tierschutzgesetzes eine Pflicht zum Handeln.
Der Hund hat also sogar einen Wesenstest bestanden – dennoch hält die Behörde an ihrer Verfügung fest. Wie erklärt ihr euch das?
Viola: Wenn wir das wüssten, wären wir schon einen riesigen Schritt weiter. Vermutungen haben wir allerdings. In der Akte befindet sich die E-Mail einer Polizistin mit dem Hinweis an die zuständige Ausgangsbehörde, dass die politische und generelle Neutralität im vorliegenden Fall nicht bei allen Kollegen gegeben sei, da der Geschädigte der Schwiegervater eines Kollegen sei. Wir können also belegen, dass bereits zu Beginn des behördlichen Verfahrens – also noch bevor Zeus von dem Amtstierarzt in Augenschein genommen wurde und die Tötungsanordnung erlassen wurde – eine Polizistin Zweifel an der Neutralität einiger Kollegen hegte.
Gianna: Außerdem sind natürlich schon immense Kosten entstanden. Unsere Mandanten bezahlen derzeit etwa 25 Euro pro Tag für die Unterbringung von Zeus im Tierheim. Hinzu kommen sämtliche weiteren Kosten wie Gerichtskosten und Kosten für anwaltliche Vertretung. All diese Kosten müsste die Behörde tragen und unseren Mandanten ersetzen, wenn sie die Tötungsanordnung zurücknehmen würde.
Wieso seid ihr jetzt mit dem Fall Zeus an die Öffentlichkeit gegangen?
Gianna: Derzeit ist ein Eilverfahren anhängig, in dem über unsere Beschwerde entschieden wird. Das Eilverfahren dauert nun schon über 1,5 Jahre. Zudem haben wir gegen die Tötungsanordnung Widerspruch eingelegt; die Behörde ist seit mehr als einem Jahr untätig, was die Entscheidung angeht.
Viola: Es mag so scheinen, als hätten wir mit dem Gang an die Öffentlichkeit lange gewartet. Allerdings waren wir überzeugt, dass die drei Expertenmeinungen der öffentlich bestellten und anerkannten Sachverständigen im Hundewesen berücksichtigt würden. Kürzlich erhielten wir von der Behörde Einsicht in die Verwaltungsakte; zeitgleich mit der Ablehnung unseres letzten Antrags auf Abänderung der Entscheidung aus dem Jahr 2018. Nachdem wir massiv Druck gemacht hatten. Darin fanden wir eine offizielle Gesprächsnotiz über ein Telefonat zwischen Sachbearbeiter und Richter. Diese Notiz gibt Anlass für die Annahme, dass einer der Richter am Verwaltungsgericht, der seit Beginn des Verfahrens mit der Sache befasst war, befangen ist – vielleicht ein Grund, weshalb wir so gegen Wände rannten. Wir haben also den Richter wegen Befangenheit abgelehnt und eine Dienstaufsichtsbeschwerde an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts eingereicht. Darüber wird gerade entschieden. Das alles gab unseren Mandanten nun den Mut dazu, den Schritt an die Öffentlichkeit zu wagen.
Eure Facebook-Seite explodiert, eine Petition hat Stand heute über 75.000 Unterschriften. Der Zuspruch ist riesig.
Viola: Der Fall Zeus geht jeden etwas an. Wer kann schon ausschließen, dass sein Hund jemals an einem Menschen hochspringt? Langfristig wollen wir auf eine Änderung des Tierschutzgesetzes bzw. der Landeshundegesetze hinwirken. Denn der Fall von Zeus zeigt äußerst anschaulich, was aufgrund der jetzigen Gesetzeslage passieren kann.
Ihr setzt euch dafür ein, dass der Hund eurer Mandanten nicht getötet wird. Stellt ihr hier nicht das Wohl des Tieres über das Wohl des Menschen?
Gianna: Wir wollen an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen: Weder wir noch unsere Mandanten haben den Vorfall oder die Verletzungen des gestürzten Mannes jemals bagatellisiert. Das liegt uns fern. Aber wir befinden uns in einem Rechtsstaat: Eine Behörde ist als Teil der Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden. Sie unterliegt dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Gesetze müssen durch die Behörde beachtet werden. Im Fall von Zeus wurde das Tierschutzgesetz von Anfang an nicht beachtet.
Viola: Mit Aufnahme von Art. 20a in das Grundgesetz wurde der Tierschutz zum Staatsziel erklärt. Auch bei dem Tierschutzgesetz handelt es sich um ein Bundesgesetz, wie also der Name schon sagt: es gilt bundesweit.
Was sind die häufigsten Rechtsfragen, mit denen Hundehalter zu euch in die Kanzlei kommen?
Gianna: Die Rechtsfragen, mit denen sich Hundehalter an uns wenden, sind vielfältig. Im Verwaltungsrecht geht es sehr häufig um die Einstufung von Hunden als gefährlich im Sinne der jeweiligen Landeshundegesetze. Häufig geht es aber auch um Rechtsfragen im Hinblick auf den Kauf oder die Übernahme eines Hundes. Auch im Tiermedizinrecht wenden sich Menschen an uns. Etwa, wenn sie vermuten, dass ihr Hund von einem Tierarzt falsch oder nicht hinreichend behandelt wurde. Die Liste an Themen ist lang, das ist aber auch das Spannende unserer Tätigkeit im Tierrecht. Auf unserer Website geben wir einen Überblick und erläutern alle Themengebiete, wir sind übrigens bundesweit tätig.
Wann ist es aus eurer Sicht notwendig, einen Anwalt hinzuziehen?
Viola: Viele Leute scheuen sich davor, Anwälte zu kontaktieren. Vielleicht liegt das an der steifen Art, die viele Menschen mit dem Berufsbild verbinden. Vielleicht aber auch daran, dass sie nicht als „streitsüchtig“ angesehen werden wollen oder die Kosten scheuen.
Gianna: In vielen Fällen haben wir uns schon gewünscht, dass die Menschen sich früher dazu entschieden hätten, einen Anwalt zurate zu ziehen. Hat man sich erst einmal ohne rechtlichen Beistand vor einer Behörde zum Sachverhalt eingelassen, können Missverständnisse später nur noch äußerst selten korrigiert werden. Oft fehlt das Bewusstsein, wie gewichtig die eigene Aussage ist. Wir würden uns wünschen, dass diese Scheu vor Anwälten schwindet und versuchen, dies durch unser Auftreten und unsere Kommunikation zu erreichen.
Viele Hundehalter schließen ja eine Hundehalterhaftpflichtversicherung ab. Anwaltskosten werden dabei aber nicht übernommen, oder? Warum ist eine Versicherung in euren Augen dennoch sinnvoll?
Gianna: Wir empfehlen eine Hundehaftpflichtversicherung in Kombination mit einer umfassenden Rechtsschutzversicherung. Die Hundehaftpflichtversicherung übernimmt Schäden, die durch einen Hund verursacht werden. Hierbei kann es zu hohen Beträgen kommen. Bei gefährlichen Hunden ist eine Hundehaftpflichtversicherung sogar Pflicht, um eine Halteerlaubnis zu bekommen. Dies gilt sowohl für Listenhunde – also Hunde, deren Gefährlichkeit kraft Gesetzes vermutet wird – als auch für sogenannte Vorfallshunde – also Hunde, deren Gefährlichkeit im Einzelfall aufgrund eines Vorfalls festgestellt wurde.
Viola: Außerdem ist eine Rechtsschutzversicherung sinnvoll. Darauf weisen wir auch auf unserer Website hin. Denn oft entscheidet das Vorhandensein einer solchen Versicherung über Recht haben und Recht bekommen, wie man so schön sagt. Von der Rechtsschutzversicherung werden dann auch die Kosten erstattet, die für eine anwaltliche Vertretung anfallen. Wir weisen aber immer wieder darauf hin, dass es wichtig ist, sich über den Umfang der Versicherung gut zu informieren, damit der Versicherungsschutz auch umfassend ist.
Der Fall von Rottweiler Zeus ist ein Einzelfall. Was empfehlt ihr Hundehaltern in Deutschland?
Gianna: Ja, richtig. Das kommunizieren wir der Öffentlichkeit sehr deutlich. Aber es kann jeden Hundehalter treffen. Wir empfehlen deshalb jedem Hundehalter, sich von Anfang an an einen Rechtsbeistand zu wenden und den Fall rechtlich überprüfen zu lassen, wenn mal etwas passiert. Gerade der Akteneinsicht kommt in verwaltungsrechtlichen Verfahren eine große Bedeutung zu. Der einzelne Hundehalter muss dringend in Erfahrung bringen, was die Behörde zum Inhalt ihrer Verwaltungsakte gemacht hat und auf welche Tatsachen sie sich stützt. Das zu beurteilen und juristisch korrekt zu reagieren, ist Aufgabe eines spezialisierten Rechtsbeistandes. Gerade, wenn schon eine Verfügung im Raum steht, gilt es, das statthafte Rechtsmittel fristgerecht einzulegen. Versäumnisse jeder Art führen dazu, dass die erhaltene Verfügung bestandskräftig wird – und zwar unabhängig davon, dass sie möglicherweise rechtswidrig ist.
Vielen Dank für das Interview!